Warum ist eine Vorbereitung auf eine Notwehr-Situation eigentlich so wichtig?

Immer wieder kommt es in Deutschland zu schwerwiegenden Übergriffen auf Mitarbeiter von Behörden.

Die Gründe dafür sind nicht selten verborgen und für den Mitarbeiter im Vorfeld häufig nicht erkennbar. So wurde in Neuss im Jahre 2012 ein Mitarbeiterin des Jobcenters erstochen, weil der ihr unbekannte Täter sich durch einen Kollegen von ihr - und damit vom Jobcenter als solches - betrogen fühlte. 2013 wird der Landrat in Hameln erschossen. Der Täter machte die örtliche Politik für seine desolate private Lage verantwortlich. 2010 übergießt in Leipzig ein Mann einen Mitarbeiter des Finanzamtes mit Brennspiritus, um ihn danach anzuzünden.

Immer wieder kommt es in deutschen Behörden zu schwerwiegenden Übergriffen.

Beim Übergriff am 6.11.2017 im Jugendamt Pfaffenhofen bedrohte ein Mann eine Sachbearbeiterin mit einem Messer und nahm sie als Geisel. Hintergrund war ein Sorgerechtsstreit.

An den vergangenen Taten kann man sehr deutlich ablesen, dass vor allem Geld und Kinder sehr starke Motive für Täter bieten, ihr Anliegen mit Gewalt durchzusetzen, da beide Themen sehr stark emotional behaftet sind. Zudem sind Mitarbeiter von Behörden zumeist eher Überbringer schlechter Nachrichten als guter, was das Konfliktpotential ebenfalls deutlich erhöht.

Nicht selten sind die Täter den Behördenmitarbeitern im Vorfeld bekannt. Trotzdem sind die Mitarbeiter überrascht und schockiert, wenn es zu einer Gewalttat kommt. Der Grund dafür liegt vermutlich an einer Verdrängungsstrategie für ein vermeintlich unlösbares Problem. Man hofft, dass es einen selbst nie treffen möge und steckt den Kopf in den Sand. Dahinter steht auch oft der Irrglaube, dass man selbst sowieso unterlegen sei und eh nichts machen könne. Diese Überzeugung führt dann fatalerweise dazu, dass das Opfer eines Übergriffs sich seiner eigenen Überzeugung folgend nur noch leichter seinem Schicksal ergibt und es dem Täter umso leichter macht.

Doch was kann und sollte man tun, um sich vor einem Übergriff zu schützen?

Zunächst einmal muss man sich mit der unangenehmen Tatsache beschäftigen, dass die Gewaltbereitschaft in nahezu allen Bereichen stark ansteigend ist und damit auch die Chance, selbst Opfer eines Übergriffs zu werden, immer wahrscheinlicher wird.

Psychologisch und physiologisch ist es so, dass bei Gewahr werden des Angriffst starke Stressreaktionen ausgelöst werden. Durch die Überraschung kommt es zur sogenannten „vagotonen Schockphase“, in der der Betroffene erst einmal registriert, was da jetzt überhaupt passiert. Gerade für Personen, die sich noch nie mit Gewalt auseinandergesetzt haben, passt der gewalttätige Übergriff gar nicht in ihr Weltbild. Sie haben Schwierigkeiten auf die Situation zu reagieren und sind handlungsunfähig.

Stresshormone werden ausgeschüttet. Der Hochstress verhindert, dass Sie wie gewohnt über eine Situation nachdenken und nach Lösungen suchen können. Die Stresshormone machen Sie mobil und bereit für Angriff oder Flucht. 

Lediglich Ihr episodisches Gedächtnis funktioniert jetzt noch einwandfrei - haben Sie eine ähnliche Situation schon einmal erlebt, erinnern Sie sich blitzschnell an Ihre Handlungen und an Erfolg und Misserfolg. Bei diesen Abläufen handelt es sich um urzeitliche Reflexe, die den Menschen in gefährlichen Situationen schützen soll.

Durch gezieltes Training des episodischen Gedächtnisses und ihres Muskelgedächtnisses, welches unter Hochstress mobilisiert wird, können Sie sich also wirksam auf Gefahrensituationen vorbereiten.

Wenn Sie eine Gefahrensituation schon einmal erlebt haben, reduziert sich die vagotone Schockphase erheblich. Dies nutzt beispielsweise die Polizei im Training - sie bereitet sich gezielt auf Angriffe und gefährliche Situationen vor und erarbeitet Handlungsalternativen für verschieden gelagerte Situationen. Diese werden durch Training im episodischen und muskulären Gedächtnis abgelegt.

Was sollten Sie also tun?

Genau das ist auch die einzige Strategie, die Ihnen im beruflichen Alltag in Gefahrensituationen weiterhilft:

1. werden Sie sich bewusst, dass es gefährliche Situationen geben kann und wie diese aussehen können. Zum Beispiel dass jemand versucht, hinter ihren Schreibtisch zu kommen und Sie körperlich zu attackieren.

2. Reflektieren Sie Ihre Möglichkeiten realistisch. Was können Sie nun tun? Probieren Sie die Möglichkeiten aus, da sie oft nur trügerische Sicherheit bieten. Zum Beispiel ist ein Sprung aus dem Fenster - auch im Erdgeschoss - keine wirkliche Option, da die Zeit zum Öffnen des Fensters im Regelfall schon nicht ausreicht. Auch ein Klettern über den Schreibtisch ist meistens keine funktionierende Variante, sofern Sie dies nicht regelmäßig trainieren.

Schauen Sie also z.B., womit Sie Distanz zwischen sich und den Angreifer bringen können und womit Sie sich ggf. verteidigen können. Dies kann z.B. ein langer Regenschirm sein oder Ihr Schreibtischstuhl und ein einfaches Lineal. Sie müssen nur wissen, wie Sie es einsetzen können.

3. Trainieren Sie diese Möglichkeiten und übertragen Sie sie so in Ihr Muskelgedächtnis. Besonders effektiv wird dies, wenn Sie auch in der Trainingssituation ein gewisses Stresslevel erreichen. Bewertet Ihr Gehirn die Trainingssituation als „gefährlich“, so wird die funktionierende Lösung tief abgespeichert und für ähnliche Gefahrensituationen verfügbar gemacht.

4. Schulen Sie Ihr „Gefahrenradar“. Übergriffe sind oftmals im Vorfeld erkennbar, wenn man die Körpersprache des Gegenübers bewusst wahrnimmt. So ist Gewalt gegen Personen meist eine Folge auf Gewalt gegen Sachen. Körperliche Gewalt folgt im Regelfall der verbalen Gewalt.

Schulungen zum Thema

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